Şengal, Camp Newroz

Tafel 9

„WIR WAREN – WIR SIND – WIR WERDEN SEIN“

Şengal ist der kurdische Name der EzidInnen für die Stadt Sindschar im Nordirak, die am 3. August 2014 vom Islamischen Staat (IS) angegriffen wurde. 500.000 EzidInnen haben in der Region um Şengal gelebt. 480.000 Menschen sind vor den Angriffen des IS geflüchtet. Sie wurden von niemandem geschützt, bis aus Rojava die YPG/YPJ (die Einheiten der Volksverteidigungskräfte) kamen und aus den Bergen in Südkurdistan Guerillaeinheiten der PKK. Die meisten leben nun in Flüchtlingscamps im Nordirak, in der Türkei oder in Europa.

Auch die umliegenden 172 Dörfer der Region um Şengal sind vom IS angegriffen worden. Die Anzahl der ezidischen Menschen, die vom IS hingerichtet, verschleppt oder als Sklaven verkauft worden sind, wird noch immer recherchiert. Insgesamt sind 17.000 Menschen verschwunden. Davon sind 5.400 Frauen und Mädchen. Nach der Befreiung von Şengal sind bereits 16 Massengräber entdeckt worden. Augenzeugen berichten, dass Männer und ältere Frauen vom IS hingerichtet, die jüngeren Frauen, Mädchen und Kinder verschleppt wurden. Frauen und Kinder waren zudem Folter, Verschleppung, Zwangskonvertierung zum Islam, Vergewaltigung, Zwangsverheiratung und Sklaverei ausgesetzt.

Der Status der EzidInnen als Glaubensgemeinschaft wurde bisher nicht anerkannt; weder durch den Irak noch durch die Vereinten Nationen. Auch das Massaker durch den IS wurde international nicht anerkannt. Über Jahrhunderte hinweg erlebten die Eziden wiederholt Verfolgung, Unterdrückung und Genozide. Die Glaubensgemeinschaft der Ezidinnen und Eziden gehört zu den ältesten noch bestehenden Glaubensgemeinschaften der Welt.

Die Eziden, die noch in dem Gebirge Şengals in Flüchtlingscamps und in Rojava im Camp Newroz leben, haben mittlerweile mit dem Neuaufbau Şengals begonnen. Dazu ist der Rat des Wiederaufbaus gegründet worden. Um künftig für eine Selbstverteidigung gewappnet zu sein, haben der Rat der EzidInnen Şengals und auch der Frauenrat beschlossen, zunächst Selbstverteidigungskräfte, die „Widerstandseinheiten Şengal“ (YBŞ) und die „Fraueneinheiten von Êzîdxan“ (YJÊ), aufzubauen. Diese waren bereits maßgeblich an der Befreiung Şengals am 13. November 2015 beteiligt.
Zum Wiederaufbau trägt die WJAR mit einem besonderen Projekt bei: In Kooperation mit dem Frauenbüro für Frieden CENÎ in Düsseldorf wird in Şengal ein traumatherapeutisches Zentrum aufgebaut, mit dem ein Grundstein zur Überwindung der traumatischen Erfahrungen gelegt wird. Auch werden im Camp Newroz für Kinder und Frauen ein Kindergarten, Musikkurse, psychologische Unterstützung sowie eine Schneiderei für Frauen angeboten.

Im Camp Newroz in der Nähe von Dêrik leben 6.000 Menschen.