Die Ökonomie

Tafel 4

Landwirtschaftskooperative in Amûdê

Das Wasser der Flüsse Euphrat und Tigris macht Rojava zur Kornkammer Syriens, dazwischen stehen die Pumpen der Ölfelder. Rojava ist reich an Ressourcen allerlei Art.
In der Region wurde seit jeher viel an- und abgebaut, jedoch durften die Menschen unter dem Assad-Regime ihre Ressourcen nicht selbst verarbeiten. Die Rohwaren mussten an den Staat verkauft werden; dann wurden sie in arabische Städte transportiert, dort verarbeitet und dann wieder an die Menschen zurückverkauft. Derzeit beschränkt das Embargo der Nachbarländer die Möglichkeiten zur Entwicklung einer eigenen, lokalen Wirtschaft und Versorgung der Gesellschaft.

Erfahrungen aus anderen kurdischen Regionen zeigen, dass der Aufbau einer alternativen Ökonomie von grundlegender Relevanz ist:

„Wenn wir uns die Investitionen anschauen, dann führen sie, wie gesagt, zur vollkommenen Ausbeutung der Arbeitskraft und zur Verwüstung der Umwelt… Die Bevölkerung Kurdistans zieht daraus keinen Nutzen.“

Azize Aslan über die ökonomische Situation in den kurdischen Gebieten in der Türkei

Die Ökonomiekommissionen der Kommunen und Räte bauen im Rahmen des Demokratischen Konföderalismus eine lokale Ökonomie auf, die sich an den Bedürfnissen der Gesellschaft orientiert und nicht auf Ausbeutung beruht. So entsteht ein ethisch-ökologisches Wirtschaftssystem, welches von den jeweiligen Kommunen und Räten kontrolliert wird. In entsprechenden Versammlungen bilden sich die Menschen gemeinsam zur Thematik weiter und diskutieren verschiedene Ökonomiekonzepte und ihre Vor- und Nachteile. Die Wirtschaftskomitees fördern vor allem die Produktion von primären Gütern, die für die Menschen und deren Lebensorganisierung notwendig sind. Dazu gewährleisten die Stadtverwaltungen die Grundversorgung mit Wasser und Strom, was die Unabhängigkeit der Region enorm fördert.

Als einen der ersten Schritte richtete das Komitee kleinere Raffinerien ein, um das Öl zu Diesel zu verarbeiten, baute Weizen, Kichererbsen und Bohnen an, etablierte Mühlenkooperativen zur Verarbeitung des Getreides und baute Bäckereien auf, um die Bevölkerung mit Brot zu versorgen. Die Grundlage dieser Ökonomie ist eine kooperative Produktionsform, um Ausbeutung und Konkurrenz abzuschaffen sowie eine Versorgung der Gesellschaft in Gleichberechtigung zu garantieren. Es gibt Kooperativen der Kommunen und der Räte. Landwirtschaft wird, soweit es ehemaliges Staatsland betrifft, kollektiv betrieben. Viele von den Dörfern der Region sind auch als Kommunen organisiert und haben ihre Ökonomie als Kooperative zusammengelegt.

Ein weiterer Prozess ist Wandlung des Handels. Die verschiedenen Berufszweige, Unternehmen und Werkstätten sind in Verbänden zusammengeschlossen und in der Organisation Saziyên Cîvaka Sîvîl (SCS), Einrichtungen der Zivilgesellschaft, zusammengefasst. In Konferenzen der jeweiligen Branchen werden Absprachen für eine ethische Organisierung des Handels getroffen. Aufgabe des Handels ist es, die Zufuhr von Waren zu organisieren, die (bisher) nicht lokal hergestellt werden und von der Bevölkerung benötigt werden. In den Konferenzen wird über gemeinsame Schwierigkeiten diskutiert, wie zum Beispiel die Beschränkung der Einfuhrmöglichkeiten aufgrund des Embargos, Sicherheit der Handelswege und der Läden, Preisstabilität, Missbrauch von Handelslizenzen etc. Eine der wichtigsten Aufgaben war es, angesichts der um das Zehnfache angestiegenen Preise Preiskontrollen festzulegen.

Auch ökologische Projekte werden vorangebracht; dazu gehören Begrünung und Aufforstung, Projekte zum Schutz von Saatgut, Gewinnung von alternativen Energien etc.
Die Frauenbewegung Kongreya Star organisiert ihre Ökonomie unabhängig. Die Frauenkommunen sind die Vorreiter, was die Subsistenz-Wirtschaft anbelangt. Beispielprojekte werden an verschiedenen Orten mit Unterstützung z.B. der Frauenbeauftragten initiiert. Auch die WJAR fördert den Aufbau von Kooperativen.
In Dêrik gibt es zur zeit drei Landwirtschaftskooperativen, eine Joghurt- und Käsekooperative, eine Frauenbäckerei und eine Näherei, die vom Komitee für Ökonomie von Kongreya Star aufgebaut wurden. Auf dieser Tafel sind die Frauen einer Landwirtschaftskooperative in Amûdê zu sehen. Sie haben Kühe und bauen Zwiebeln und Erdnüsse an. Es gibt aber auch kleine Läden oder Restaurants als Kooperativen.

„Die Organisierung von Wirtschaft ist die Grundlage für die Organisierung von Leben.“
Delal Afrîn, Komitee für Ökonomie

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